Vergleich mit Anderen

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Ich stehe Schatten meiner Cousine:

Meine Cousine und ich sind gleich alt, beide 27. Wir waren deshalb auch gemeinsam im Kindergarten, Volksschule und Gymnasium. Schon damals hat man uns beide immer verglichen. Sie war immer die perfekte und ich die nicht so gute. Sie war schon als Kind (und ist es heute auch noch) richtig schön, hat eine super Ausstrahlung, ist wahnsinnig intelligent und zielstrebig, sehr selbstbewusst, extrovertiert, kommt gut bei anderen an,… Ich dagegen bin wie die schlechte Version von ihr. Ich bin nicht so eine Schönheit wie sie, bin nicht so schlau, bin schüchtern,…

Damals in der Schule war sie ein Lehrer und Schülerliebling. Mit ihren außerordentlich guten Leistungen hat sie sich bei den Lehrern beliebt gemacht, positiven Auftreten hat sie sich bei Mitschülern beliebt gemacht und bei den Jungs kam sie natürlich auch super an mit ihrem Auftreten und mit ihrem Aussehen. Ich dagegen hatte oftmals schlechte Noten, die Lehrer waren nicht wirklich begeistert von mir, manche mochten mich gar nicht. Auch bei den anderen Mitschülern kam ich nicht so gut an wie sie und von Jungs wurde ich schon gar nicht beachtet.

Ich bin immer in ihrem Schatten gestanden. Konnte ich mal was gut, dann war sie 10x besser. Für sie haben sich immer alle interessiert, sie haben immer alle gelobt. Ich bin dann nur blöd daneben gestanden. Dadurch, dass wir Cousinen sind, ist mir der Vergleich natürlicher auch bei Familientreffen stark aufgefallen. Da wurde sie auch immer in den Himmel gepriesen und ich war der Loser daneben.

Nach der Matura haben wir uns beide für unterschiedliche Studienrichtungen entschieden. Sie war natürlich wieder super in ihrem Studiengang und hat zu den allerbesten gehört. Ich war ein Durchschnittsstudent. Ich hab mein Studium nach 2 Jahren abgebrochen und ein neues begonnen, weil es nicht das richtige für mich war. Ich hab mein neues Studium dann wieder nach einem Jahr abgebrochen, weil ich auch hier wieder nicht gut war.

Mittlerweile hat sie ihren Master gemacht, hat einen tollen Job, verdient gut, lebt in einem schönen Haus, hat einen perfekten Mann und studiert jetzt auch noch nebenbei das Studium, das ich nach 2 Jahren abgebrochen habe und ist da natürlich wieder 10x besser (obwohl sie ja sogar arbeiten geht).

Ich dagegen habe schlecht bezahlte Jobs, die mir nicht mal Spaß machen, nur um mich geldmäßig über Wasser zu halten. Sie hat ihre große Liebe schon früh kennengelernt, ich dagegen finde selten einen Typen, der auch nur etwas Interesse an mir zeigt. Meine wenigen Beziehungen waren von kurzer Dauer und mit keinen so erfolgreichen, liebevollen, überdurchschnittlich attraktiven Männern wie ihr Mann.

Seit wir nicht mehr auf eine Schule gehen, haben wir viel weniger Kontakt. Damals natürlich täglich, mittlerweile nur noch auf Familientreffen, die immer seltener sind und das letzte war vor der Corona-Pandemie. Eigentlich bekomme ich von ihr nur sehr selten was mit, aber trotzdem denke ich so oft an sie. Ich vergleiche mich unbewusst immer mit ihr, so wie es damals schon im Kindergarten angefangen hat. Ich fühle mich deswegen nie gut genug und zweifle immer an mir. Ich denke mir, dass ich eh nie so toll und perfekt sein kann wie sie und habe deswegen ein richtig schlechtes Selbstbewusstsein. Ich fühle mich neidisch und minderwertig. Ich glaube diese Vergleiche mit der „perfekten Person“ haben mich mehr geprägt als es mir lieb ist.
Keiner weiß wie ich darunter gelitten habe, wenn sie in den Himmel gelobt wurde und alle ihr Aufmerksamkeit geschenkt haben, ich aber unbeachtet wurde oder sogar noch bemängelt. Dadurch, dass sie weiß wie toll sie ist, hat sie sich mir auch immer überlegen gefühlt. Sie hat mir auch subtil gezeigt, dass ich nicht so klug bin wie sie, nicht so schön bin wie sie, nicht so beliebt bin wie sie. Weil sie war ja die Bessere. Das hat sie mir schon zu spüren gegeben, und die anderen Leute haben es bestätigt. Durch Lob, durch gute Noten, durch Komplimente, etc.

Obwohl wir wie gesagt selten Kontakt haben, vergleiche ich mich immer mit ihr. Generell mein Leben mit ihr. Sie hat ein Traumleben, ist glücklich und erfolgreich. Ich bin das komplette Gegenteil und es macht mich so unglücklich, dass ich im Leben so versagt habe 🙁 Ich habe keine Kraft mehr, weil ich denke, dass ich sie nie einholen werde bzw nie so gut sein werde wie sie. Ich bin Welten davon entfernt. Das macht mich so runter 🙁

1 comment

  1. Erstmals DANKE für Ihr Vertrauen! Es ist sehr kompetent von Ihnen, dass Sie sich mit diesem Thema so offen auseinandergesetzt und reflektiert haben. Durch das Reflektieren Ihrer Gedanken und Empfindungen, ist Ihnen schon Vieles gelungen!

    Sie beschreiben ein sehr differenziertes Bild Ihrer Situation, wie Sie diese erleben und welche Gedankenprozesse in diesem Zusammenhang aktiv werden. Sie wirken in Ihren Schilderungen sehr niedergeschlagen. Anscheinend waren/sind Sie nicht nur mit inneren Gedankenkonflikten konfrontiert, sondern erleben auch immer wieder Bewertungen vonseiten Ihrer Familie oder/und Umfeld. Vielleicht kommen in Ihnen auch Gedanken auf, die Ihnen selbst gegenüber recht entwertend sind oder Sie auch manchmal Neid, Eifersucht, Zorn, Traurigkeit oder Ähnliches empfinden.

    Die äußeren Bedingungen lassen sich in manchen Fällen nur begrenzt ändern. Was aber jedenfalls veränderbar erscheint, sind jene Gedanken, die Sie als entwertend und sehr negativ erleben. Auch die eigenen Bewertungen scheinen veränderbar, auch wenn dies wiederum mit Reflexion verbunden ist.
    Als erste Intervention könnten wir Ihnen folgendes empfehlen: Versuchen Sie Ihre Gedanken zu diesem Thema aufzuschreiben. Dabei nehmen Sie sich eine ganz bewusst gesetzte Zeit, die auch einen bewussten Endpunkt hat, z.B. 10 Minuten. In dieser Zeit schreiben Sie sich alles ‘von der Seele’, was Ihnen, ganz intuitiv, zum Thema einfällt. Danach setzen Sie sich einen Gedankenstopp. Gehen Sie weg von diesen Notizen, verstauen Sie diese und gewinnen Sie bewusst Abstand. Diese kleine Intervention kann dabei helfen, Gedankenspjralen zu durchbrechen.

    Wenn Sie sich weiter mit dem Durchbrechen von negativen Gedanken und Bewertungen auseinandersetzen und neue Wege erarbeiten wollen, dann nehmen Sie auch mal psychologische oder psychotherapeutische Hilfe in Anspruch. Gerne sind Sie auch im Center von Anima Mentis zum Coaching herzlich willkommen.